AK05 Stefan liest… Feste

Feste von Heinz Erhardt

Der Karpfen kocht, der Truthahn brät,
man sitzt im engsten Kreise
und singt vereint den ersten Vers
manch wohlvertrauter Weise.

Zum Beispiel “O, du fröhliche”,
vom “Baum mit grünen Blättern” –
und aus so manchem Augenpaar
sieht man die Tränen klettern.

Die Traurigkeit am Weihnachtsbaum
ist völlig unverständlich;
man sollte lachen, fröhlich sein,
denn er erschien doch endlich!

Zu Ostern – da wird jubiliert,
manch buntes Ei erworben!
Da lacht man gern – dabei ist er
erst vorgestern gestorben.

AK04 Barbara liest… Die Schale der Liebe

Die Schale der Liebe von Bernhard von Clairvaux

Wenn du vernünftig bist, erweise dich als Schale und nicht als Kanal,
der fast gleichzeitig empfängt und weitergibt,
während jene wartet, bis sie gefüllt ist.

Auf diese Weise gibt sie das, was bei ihr überfließt, ohne eigenen Schaden weiter.
Lerne auch du, nur aus der Fülle auszugießen und habe nicht den Wunsch freigiebiger zu sein als Gott.

Die Schale ahmt die Quelle nach. Erst wenn sie mit Wasser gesättigt ist, strömt sie zum Fluss, wird sie zur See. Du tue das Gleiche! Zuerst anfüllen, und dann ausgießen.

Die gütige und kluge Liebe ist gewohnt überzuströmen, nicht auszuströmen.
Ich möchte nicht reich werden, wenn du dabei leer wirst.
Wenn du nämlich mit dir selber schlecht umgehst, wem bist du dann gut?
Wenn du kannst, hilf mir aus deiner Fülle,
wenn nicht, schone dich.

AK03 Charlotte liest… Was keiner wagt, das sollt ihr wagen

Was keiner wagt, das sollt ihr wagen von Lothar Zenetti

Was keiner wagt, das sollt ihr wagen.
Was keiner sagt, das sagt heraus.
Was keiner denkt, das wagt zu denken.
Was keiner anfängt, das führt aus.

Wenn keiner ja sagt, sollt ihr´s sagen.
Wenn keiner nein sagt, sagt doch nein.
Wenn alle zweifeln, wagt zu glauben.
Wenn alle mittun, steht allein.

Wo alle loben, habt Bedenken.
Wo alle spotten, spottet nicht.
Wo alle geizen, wagt zu schenken.
Wo alles dunkel ist, macht Licht.

AK01 Rene liest… Ein Engel

Ein Engel von Daniel „Dän“ Dickopf

Ein Engel, der dir deinen Weg weist,
der dich leitet, wenn du ziellos durch das All kreist,
ein Engel, der dich an die Hand nimmt
und, wenn du Angst hast, ein Lied für dich anstimmt.
Ein Engel, der dir immer nah ist, der für dich da ist, 
wenn du in Gefahr bist.
Ein Engel als tröstendes Licht.
Du sagst, diesen Engel gibt es nicht.

Ein Engel, der dir wieder Mut macht
und diesen Job immer wieder richtig gut macht,
ein Engel, der dir einen ausgibt
und dich bei Sonnenschein energisch aus dem Haus schiebt.
Ein Engel, der dir freundlich zuwinkt,
mit dir Kaffee trinkt, dich zu deinem Glück zwingt,
und der manchmal mit dir Klartext spricht.
Du sagst, diesen Engel gibt es nicht.

Ein Engel, der dir richtig zuhört, 
der das verjagt, was dich nachts in deiner Ruhe stört,
ein Engel, der dich mal im Arm hält,
und der im Winter deine Heizung auf „warm“ stellt.
Ein Engel, der dir einen Brief schreibt,
der mit dir wach bleibt, wenn die Angst dich umtreibt,
und der sich für dich den Kopf zerbricht.
Du sagst, diesen Engel gibt es nicht.

Doch dieser Engel ist da,
um dich zu schützen und zu halten.
Dieser Engel ist da,
jeden Tag, in verschiedenen Gestalten.
Er lässt dich nie im Regen stehn.
Er lässt dich nie allein.
Doch er ist leicht zu übersehn,
denn er kann überall sein.